13. Reisetag

Mittwoch, 7. August 2013

Gamvik - Karasjok

Wie erwartet war der Himmel bedeckt, aber es war ungewöhnlich warm. Satte 22 Grad Celsius zeigte mir das Auto als Aussentemperatur an, und das am praktisch nördlichsten Punkt von Europa. Ob das normal ist?

Im Gästehaus in Gamvik wirklich am Ende der Welt logierten noch ein paar andere Gäste, aber ich nehme sowieso an, dass es insgesamt nicht mehr als 8 Zimmer hatte. Geführt wird das Haus von einem jungen Paar, er ist Norweger und sie Thailänderin, mit 2 Kleinkindern. Das ältere Kind spielte mit Papas iPad, während das jüngere erst vor ein paar Wochen auf die Welt gekommen zu sein scheint. Sie wohnen nur während der Saison in Gamvik, vermutlich also von Mitte Juni bis Mitte August, sonst sind sie woanders zu Hause. Die Thailänderin erklärte einer Frau beim Frühstück, sie hätte im letzten Winter im 20 km entfernten Mehamn in der Pflegeabteilung arbeiten können.

Die Frau im Speisesaal dürfte in den Sechzigern gewesen sein. Sie erkundigte sich, ob in Gamvik Blumen erhältlich seien. Sie war extra angereist, um ihre Grosseltern zu besuchen, auf dem Friedhof natürlich. Sie erzählte, sie sei mit dem Flugzeug gekommen, da hätte die Maschine aber in Mehamn nicht landen können, so wurde sie nach Vardø geflogen und mit dem Taxi in langer Fahrt nach Mehamn gebracht. Das Taxi hat also den gleichen Weg wie ich, einfach ohne den Abstecher nach Kjøllefjord und ohne Fotohalte, gestern gemacht. Vermutlich lag Mehamn relativ lange auch noch im dichten Bodennebel. Eine wahrlich interessante Geschichte, die zeigt, wie sehr man in dieser Gegend abgelegen ist.

Ich sattelte dann meinen Hybrid und fuhr noch die wenigen Kilometer zum Leuchtturm Slettnes fyr. Es handelt sich um den nördlichsten Leuchtturm auf dem europäischen Festland. Wow!

Das Dorf Gamvik ist ein abgelegenes Fischerdorf praktisch ohne Infrastruktur. Dennoch scheinen hier einige Familien das ganze Jahr zu wohnen, was nicht einfach ist vorzustellen. Es hat immerhin eine grosse Kirche, und die Verkehrsschilder werden liebevoll eingepflanzt.

Im Norden Norwegens, besonders über der Barentsee, bilden sich immer wieder sehr aussergewöhnliche Wolken. Eine konnte ich während des Morgenessens beobachten, die zweite fiel mir auf der Fahrt nach Mehamn auf:

Auf der 110 km langen Fahrt nach Ifjord, die nach Mehamn und darauf noch einmal auf einer Strecke von 40 Kilometern über ein Fjell führt, habe ich total 10 Fahrzeuge gekreuzt. Eines davon war der Bus nach Kjøllefjord (siehe gestriger Bericht), ein anderes war damit beschäftigt, die Schneestangen übers Fjell zu stellen. Es bliess ein extrem starker Wind aus dem Süden, und selbst auf dem stürmischen Fjell sank die Temperatur nie unter 21 Grad! Trotz gestriger Fotohalte stoppte ich auch heute mehrmals, um die Eindrücke festzuhalten.

Trotz der ungewöhnlich warmen Temperatur wird es nicht mehr so lange gehen, bis diese Landschaft wieder eine Winterlandschaft ist. Die ersten Bäume zeigen Anzeichen vom Herbst, und ich rechne, dass in den nächsten Tagen eine deutliche Verfärbung des Laubs stattfinden wird.

Die Strassen sind die Lebensadern, daher werden sie möglichst immer offen gehalten. Die Fjellüberquerungen dürfen bei Schnee aber nur in Kolonnenfahrt vorgenommen werden. Voraus fahren die Schneepflüge, hinten folgen die Autos und Lastwagen in der Kolonne. Es gibt vor jedem Fjell einen Warteraum und eine Tafel, die über die Fahrzeiten informiert. Wenn es im Winter so stürmt wie heute, dann ist die Strasse innert Kürze zugeschneit.

Von Ifjord nach Lakselv war es wiederum eine vom 10. Reisetag bekannte Strecke, aber dieses Mal in umgekehrter Richtung und bei weit besserem Wetter. Die 135 km lange Fahrt hinterliess wiederum Eindrücke:

Der Silfar-Canyon, den ich auf der Hinreise am 10. Reisetag besuchte, hat auf dem Børselvfjell seinen Anfang, was mir erst heute auffiel. Ich stoppte, um dieses Naturwunder zu betrachten:

Ich hielt in Lakselv gar nicht an, sondern fuhr gleich weiter in Richtung Karasjok. Selbstverständlich mache ich immer wieder Zwischenhalte, da die teils monotonen Strassen viel ermüdender wirken als die Strassen mit action.

In Karasjok wartete das offenbar kaum belegte Rica Hotel auf mich. Mitte Februar 2002 wohnte ich bereits schon einmal in diesem Hotel, als ich nach Helsinki flog, mit dem Zug nach Rovaniemi fuhr und ab dort mit dem Bus durch das tiefverschneite Finnland nach Karasjok gelangte. Ich mag mich noch gut daran erinnern, dass es damals so kalt hier war (um die -30°), dass ich in einem Tankstellenshop eine Mütze kaufen musste. Am zweiten Tag machte ich ein paar Aufnahmen, die ich morgen, so weit ich mich erinnern kann, im Sommer zum Vergleich wiederholen will. Eine solche Winterreise durch Lappland müsste ich wieder einmal machen, natürlich dann auch wieder per ÖV.

Gleich drei Mal begegnete mir in Karasjok ein silbergrauer Opel Combo mit Tessiner Kennzeichen, und am Schluss stand er dann auf dem Hotelparkplatz. Ich wäre in den letzten Tagen einige Male froh über meinen Combo gewesen, weil die japanische Playmobil-Hybrid-Kiste bergauf eine lahme Ente ist, keinen Platz bietet und immer wieder neue Piepstöne von sich gibt. Heute forderte die Elektronik meinen Rucksack auf dem Beifahrersitz auf sich anzuschnallen, und am Morgen wollte das Auto erst abfahren, nachdem ich den Kofferraum ein zweites Mal geschlossen hatte.

In Karasjok kam dann die angekündigte Regenfront. So wie es aussieht, herrscht morgen südlich besseres Wetter als westlich, daher werde ich über Finnland und Schweden weiterreisen. Die nächste Station sollte Kiruna sein, aber es ist ein bisschen weit bis dorthin. Vielleicht werde ich daher irgendwo im schwedischen Lappland den nächsten Nachtstop einlegen.

Die heutige Fahrt in der Übersicht:

Die gesamte Reiseroute seit dem 26. Juli, dargestellt auf Google Earth. Karasjok befindet sich beim kleinen Pfeil oben rechts, unweit der finnischen Grenze.